Zum Hauptinhalt springen
Maria von Linden Calw Gymnasium

"Erziehung eines Jungen: Gelassenheit und Humor walten lassen", Bericht zum Vortrag "Jungen brauchen klare Ansagen" von Dr. Reinhard Winter

Erstellt von Roland Stöß |

Calw-Stammheim. Jungen brauchen klare Ansagen. Da dies leichter gesagt als getan zu sein scheint, lud der Förderverein des Maria von Linden-Gymnasiums (MvLG) zu einem Vortrag des "Jungenforschers" Reinhard Winter ein.

Dass der Umgang mit dem eigenen Sohn ganz vielen Eltern unter den Nägeln brennt, zeigte die hohe Zuhörerdichte im MvLG-Forum. Am Ende machte Winter Mut und riet zur Gelassenheit. Denn "meistens geht es gut aus mit den Jungen".

Der Pädagoge und Geschlechterforscher Winter eröffnete den Abend mit einem Gag. "In Calw muss es ja besonders schlimm sein, wenn sich so viele Leute für dieses Thema interessieren." Um dann zu loben. "Sie sind engagierte Eltern, die sich für ihre Kinder interessieren." Eine Abfrage per Handzeichen brachte Klarheit, dass überwiegend Eltern von Buben auf den Rängen saßen. Der Referent relativierte das Thema. "Natürlich brauchen auch Mädchen klare Ansagen." Es gebe aber Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen. Das zeigen schon die Gespräche in Lehrerzimmern. Weit überwiegend haben "Problemgespräche" Jungs zum Thema. Und: Bei Mädchen wirke eine Ansage oft Wochen, bei Jungs gerade mal Minuten. Natürlich hat jeder Junge (und jedes Mädchen) seinen eigenen Charakter und unterscheidet sich im Temperament.

Zur Begrifflichkeit "Ansagen" gehöre es, konsequent zu sein. Konsequenz sei deshalb so wichtig, weil sie dem Jungen verdeutlichen muss, dass sein Handeln Folgen hat. Konsequenz gehe einher mit Reden, mit Präsenz, gegebenenfalls eine Regel zu wiederholen. Konsequenz dürfe nicht mit Strafe verwechselt werden, die nur "weh tun soll", aber nicht zur Einsicht führe, so Winter.

Er beleuchtete, was "männlich" im körperlichen Sinne bedeutet. Stichwort Testosteron. Der Junge möchte herausfinden, welchen Status er im Wettstreit um die Macht inne hat. Deswegen will, beziehungsweise kann der Junge mit langen Monologen der Mutter gar nichts anfangen. Er ist situationsbedingt, wenn auch unbewusst, auf den "Machtkampf" fokussiert. Winters Tipp: "Beschränken Sie die Ansagen auf sieben Worte. Das ist am Anfang schwer und will geübt sein. Und: Machen Sie nach den sieben Worten einen Punkt. Da ist dann auch Punkt".

Die Verhaltensweisen der Jungs seien von vorneherein nicht gewalttätig. Das Gegenteil sei der Fall. Der Junge sucht Bindungen. Für die Eltern kann es, auch wenn es schwierig ist, eine Lösung sein, sich mit dem Jungen auseinander zu setzen. Denn auch Auseinandersetzung ist Beziehung. Beziehungen müssen nicht immer harmonisch sein, betont Winter. Aber sie sollen auf gegenseitigem Respekt aufgebaut sein.

Winter macht deutlich, es gehe nicht um Drill oder Strafe. Früher hieß es "Bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt", was einen Beziehungs-Abbruch bedeutete. Die Beziehung bliebe jedoch erhalten, wenn neben Konsequenz auch Mitgefühl, Liebe, Verständnis und Achtsamkeit gelebt werde. Dazu bedarf es Führung, Haltung, Werte und eigener Klarheit. Ein Junge habe regelrecht ein Bedürfnis nach "Führung". Welches er freilich nur subtil "einfordert".

Aufforderung zur Führung

Regelverstöße könnten somit wie eine Aufforderung zu Führung betrachtet werden. Dann ist nicht Macht-Autorität, sondern Beziehungs-Autorität gefordert. "Sie können noch so liebevoll sein, in den Augen der Kinder sind Eltern auch mal deren "Ärgernis". Halten Sie es aus, "blöde Eltern" zu sein, riet Winter.

Ein weiterer wichtiger Baustein, um Ansagen mit Nachdruck zu geben, sei der persönliche Kontakt zum Jungen. "Sie müssen körperlich präsent sein. Mit jedem vergeblichen Zuruf auf die Ferne, gewinnt der Junge nur weitere ›Statuspunkte‹ im Kampf um die Vorherrschaft." Das Lachen des Publikums schien zu bestätigen: Winters Fallbeispiele kennen alle. "Bitte komm zum Essen", "Räum die Spülmaschine aus" und, und, und. Die Antwort aus der Ferne: "Ja,ja – Ich komme". Konkret riet Winter: "Gehen Sie persönlich zu ihm in sein Zimmer, legen die Hand auf die Schulter, suchen Sie den Blickkontakt, stehen Sie aufrecht und reden Sie ruhig mit ihm." Der Clou: Schon nach kurzer Zeit halte er sich an Vereinbarungen, spätestens wenn er beim dritten Mal die Mutter die Treppe hochkommen hört. Das möchte er nämlich vermeiden.

Einen Rat richtete Winter an die Paare: "Lassen Sie sich nicht auseinander dividieren. Wenn der eine nachgiebig und der andere überstreng ist, wissen die Kinder nicht, wo es lang geht. Seien Sie nah und klar."

Am Ende wies Winter auf die Wichtigkeit hin, immer Ruhe zu bewahren. Wer führt, hat Zeit. Bevor der im deutschsprachigen Raum führende Jungenexperte aus Tübingen dem Publikum persönlich Fragen beantwortete und eines seiner 16 Bücher handsignierte, gab er den finalen Rat, Gelassenheit und Humor einzubringen. "Freuen Sie sich an der Entwicklung Ihres Jungen."

Im Anschluss an den Vortrag stand Reinhard Winter für Fragen zur Verfügung. Foto: Stöß